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Backen mit Werten - Interview mit Joachim Weckmann

Märkisches Landbrot in Neukölln backt seit 91 Jahren Brot. Vor 40 Jahren hat Joachim Weckmann den Traditionsbetrieb gekauft, backt seitdem ökologisch und seit 1992 in Demeter-Qualität. Bereits vor 29 Jahren wurde Märkisches Landbrot Mitglied beim MWV und Joachim Weckmann engagierte sich neun Jahre im Vorstand. Zeit für ein Resümee.

Susanne Salzgeber spricht mit Joachim Weckmann, Inhaber und Geschäftsführer von Märkisches Landbrot, über das, was war und das, was kommen wird.

Joachim Weckmann und Bauer Friedrich Gräning.

Joachim Weckmann und Bauer Friedrich Gräning.

1981, Märkisches Landbrot in der Dieselstraße 33.

1981, Märkisches Landbrot, Dieselstr. 33.

Susanne Salzgeber: Beginnen wir mal im Jahr 1981, da kauftest Du die Bäckerei Märkisches Landbrot für 50.000 DM. Hast Du beim Kollektiv Brotgarten, wo Du vorher aktiv warst, so viel Geld verdient?

Joachim Weckmann: Nein, überhaupt nicht. Ums Geld verdienen ging es uns dabei nicht. Wir wollten einfach gesundes Biobrot für alle backen. Und ich war einer von sechs Gesellschaftern im Brotgarten.

Susanne Salzgeber: Warum hast Du den Kreuzberger Brotgarten damals verlassen?

Joachim Weckmann: Weil meine Kollegen aus politischen Gründen unser Brot nicht ans KaDeWe verkaufen wollten. Keine Geschäfte mit Kapitalisten. Das ging mir dann doch etwas zu weit. Ich fand es großartig, dass sich das KaDeWe für unser Biobrot interessierte.

Susanne Salzgeber: Und wie kommt man dann mal schnell an 50.000 DM?

Joachim Weckmann: Die habe ich mir von einem Freund geliehen, der damals bei IBM arbeitete und viel Geld verdiente.

Susanne Salzgeber: Wie groß war Märkisches Landbrot vor 40 Jahren?

Joachim Weckmann: Es bestand aus zwei Mitarbeitern (1,5 Vollzeitstellen) und backte 400 Kilo Brot am Tag.

Susanne Salzgeber: Heute habt Ihr 60 Mitarbeiter*innen…

Joachim Weckmann: …und wir backen 8.000 Kilo Brot am Tag.

Susanne Salzgeber: Wie viel Getreide braucht man dafür?

Joachim Weckmann: 2.000 Tonnen Getreide im Jahr.

Susanne Salzgeber: Und das Getreide stammt ausschließlich von Demeter-Landwirt*innen aus der Region Brandenburg?

Joachim Weckmann: Ja, mehr als 90 Prozent davon. Ansonsten kaufen wir oft noch etwas Weizen aus Sachsen zu, sowie Dinkel und Roggen von dem polnischen Demeter-Hof Juchowo.

Susanne Salzgeber: Die Erzeuger-Mitgliedsbetriebe des MWV bescheinigen Märkisches Landbrot am Runden Tisch jedes Jahr, dass sie fair behandelt wurden. Und dass ohne Verarbeiter-Betriebe wie Märkisches Landbrot eine so hohe regionale Wertschöpfung für sie gar nicht möglich wäre.

Joachim Weckmann: Das freut mich natürlich sehr. Aber es ist in erster Linie das Verdienst der Bäuerinnen und Bauern, die für uns das Getreide anbauen. Ohne die Erzeuger könnten wir nicht die vielen vollwertigen Brote in dieser Qualität backen. Deshalb ist uns klar, dass wir dafür auch einen fairen und nachhaltigen Preis bezahlen und wir partnerschaftlich miteinander umgehen müssen.

Susanne Salzgeber: Was war vor 29 Jahren Deine Motivation dem MWV beizutreten?

Joachim Weckmann: Netzwerke bilden. Nur gemeinsam sind wir stark. Das war schon immer meine Überzeugung.

Susanne Salzgeber: Was konntet Ihr beim MWV in dieser Zeit erreichen?

Joachim Weckmann: Einen funktionierenden regionalen Wertschöpfungskreislauf beim Getreide und viele als fair & regional gekennzeichnete Brote von Märkisches Landbrot, die man in fast allen Berliner Bio-Supermärkten und Läden kaufen kann. Es sind langfristige, vertrauensvolle Partnerschaften mit vielen bäuerlichen Betrieben entstanden, die wir jedes Jahr besuchen, Mengen besprechen, Preise ausloten und anschließend mit allen Partnern zusammen einen Runden Tisch veranstalten.

Susanne Salzgeber: Und was hättest Du Dir für den MWV noch gewünscht?

Joachim Weckmann: Das Zeichen fair & regional noch mehr zu stärken und bekannter zu machen. Außerdem viel mehr Runde Tische mit allen Beteiligten des Wertschöpfungskreislaufs zu den problematischen tierischen Produkten wie Milch und Fleisch, bei denen noch immer keine kostendeckenden, fairen Preise für die Landwirt*innen erzielt werden können.

Susanne Salzgeber: Du warst neun Jahre im Vorstand des MWV engagiert und bist erst im Mai zurückgetreten. Warum?

Joachim Weckmann: Ich habe für mich wahrgenommen, dass mir zukünftig als Vorstand und Vertreter der Verarbeiter im MWV die nötige Motivation und Visionskraft fehlen. Außerdem bin ich in den Vorstand (Verarbeiter/ Händler) für den neu gegründeten Länderverbund „Demeter im Osten“ gewählt worden. Das bindet ebenfalls Kräfte, die ich auch noch als Geschäftsführer für Märkisches Landbrot aufbringen muss. Die Zeit ist jetzt reif für neue Köpfe und Herzen, die den MWV weiter voranbringen.

Susanne Salzgeber: Wie glaubst Du sollte sich der MWV für die Zukunft aufstellen?

Joachim Weckmann: Die Selbstkosten der Erzeuger müssen z.B. bei Milch und Fleisch eruiert und die Preise entlang des gesamten Wertschöpfungskreislaufs bei den Runden Tischen offengelegt werden. Wichtig ist eine transparente und offene Kommunikation. Dafür bedarf es eines vertrauensvollen Umgangs miteinander, Solidarität und persönlicher Wertschätzung.

Susanne Salzgeber: Und was planst Du als Gründer und Geschäftsführer von Märkisches Landbrot für Dein Unternehmen, das in diesem Jahr sein 91. Jubiläum feiert?

Joachim Weckmann: Zuerst einmal möchten wir weiter gesundes Brot für alle backen. Ich strebe demokratische Führungsstrukturen bei Märkisches Landbrot an. Mehr soll vom Team übernommen und entschieden werden, weniger von mir als Führungsperson und Gründer. Ich wünsche mir, dass ich mich innerhalb der nächsten zwei Jahre aus dem Unternehmen als Geschäftsführer zurückziehen kann. Ein wichtiger Schritt dorthin ist die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung, in die ich die Bäckerei, unsere Mühle und unser Logistikunternehmen BioLog gebe. Das feiern wir auf unserem Jubiläumsfest am 18. September 2021.

Susanne Salzgeber: Vom Kollektiv zur gemeinnützigen Stiftung? Das hört sich spannend an, darüber sprechen wir dann im September.