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Knifflig: faire Preise für Bio-Rindfleisch

Eine Recherche von Susanne Salzgeber

Was ist für die Bio-Anbauverbände ein fairer Rindfleischpreis? Wir haben bei Demeter, Biokreis, Bioland und Naturland nachgefragt: Gibt es eine Richtlinie für einen mindestens kostendeckenden, fairen Preis? Haben sie schon mal ihre Erzeuger*innen befragt oder eine Erhebung beauftragt?

Blick in eine Bio-Fleischtheke

Blick in eine Bio-Fleischtheke

Das Ergebnis: Bislang hat noch kein Verband dazu eine Kurzstudie in Auftrag gegeben, man sieht bei dem Thema eher die wissenschaftliche Forschung in der Pflicht. Einig waren sich alle Verbände, dass es keine Vorgaben geben dürfe, schon aus kartellrechtlichen Gründen. Außerdem sei die Berechnung für einen kostendeckenden Erzeugerpreis für jeden Betrieb so individuell, dass hier keine Empfehlungen gemacht werden können. Das gelte im Prinzip für jeden Betriebszweig, da es auf viele verschiedene Faktoren, etwa Standort, Betriebsgröße und Produktionsrichtung, ankäme.
Naturland verwies uns auf den Deckungsbeitragsrechner der Bayrischen Landesanstalt für Landwirtschaft, mit dem jeder den für ihn notwendigen Preis für sein Erzeugnis errechnen kann. Naturland arbeitet für den ökologischen Bereich beratend an der Entwicklung und Pflege der Deckungsbeitrags-Rechner mit, indem der Verband Zahlen, Ideen und Praxisbezug liefert. Hier findet man auch die Berechnungen zur ökologischen Rindermast.
Bei Demeter im Osten läuft seit Sommer eine Abfrage bei 47 Rinder haltenden Betrieben, die im Oktober ausgewertet sein wird.
Biokreis diskutierte bei der Neufassung ihrer „regional & fair“-Richtlinien lange über das Thema Preise, denn natürlich ist das Thema der Bezahlung ein zentrales, wenn es um Fairness geht. Da es aber viele Unterschiede bei den Preisen gibt hinsichtlich der Region, der Qualität und der aktuellen Marktlinie, hat sich Biokreis dagegen entschieden, hier konkrete Vorgaben zu machen. Sie lassen ihre „regional & fair“-zertifizierten Unternehmen und Betriebe daher eine Selbstverpflichtungserklärung unterzeichnen, mit der diese sich verpflichten, angemessene Preise zu zahlen. Biokreis hofft, dass dies sensibilisiert und moralischen Druck aufbaut.
Über die Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau AöL bekamen wir den Kontakt zu dem gebürtigen Brandenburger Sven Euen vom Arbeitskreis Rind & Fleisch und Vorstandsmitglied der Erzeuger-Schlachthof Kurhessen AG. Der gelernte Landwirt und studierte Ökotrophologe berichtete davon, dass aktuell die Nachfrage nach Bio-Rindfleisch sehr hoch sei, so dass die Preise auch gestiegen sind. Aktuell gäbe es von den Bauern keine Klagen. Bei stabilen und fairen Preise hat er bislang gute Erfahrungen gemacht mit EDEKA Südwest als verlässlichem Partner für langfristige Verträge. Allerdings müsste der Erzeugerschlachthof hier auch zuverlässig vertragskonform liefern, und die Bauern dürften ihre Rinder nicht zu einem höheren Preis – wenn die Zeiten es erlauben – anderweitig verkaufen. Ansonsten drohen vom Lebensmitteleinzelhandel empfindliche Vertragsstrafen.

Wie preissensibel sind die Endverbraucher?
In der Bio-Company bezahlen Kund*innen für Bio-Rindfleisch im September 2021 etwa folgende Preise: 27 Euro für das Kilo Rindergulasch, 39 Euro für ein Kilo Rinderhüftsteak und 38 Euro für das Kilo Pastrami. „Ich finde, dass wir zu fairen Preisen ein - und zu angemessenen Preisen verkaufen“, sagt Felix Wasmuth, Einkaufsleiter der Bio Company. „Fairer Preis“ bedeute auch, dass er für die Endverbraucher fair und bezahlbar sein müsse. Und gemeint sind hier nicht Dumpingpreise, sondern nachvollziehbare und angemessene Preise, die dem Produkt, dem getöteten Tier und dem Bauern Wertschätzung entgegenbrächten.
Auch Manuel Pundt haben wir gefragt. Für den Geschäftsführer der Gut Kerkow Fleischmanufaktur mit Hofladen und zwei Berliner Filialen ist entscheidend, welche Informationen die Endverbraucher*innen haben: „Jemand, der Brodowin schon einmal besucht hat, wird die Demeter Milch aus der Flasche anders bewerten. Genauso ist es beim Fleisch. Besteht eine Beziehung zum Landwirt oder Metzger, ist der Preis nicht mehr so maßgeblich.“ Ebenso ist es mit der Einkaufsstätte: In einen Biomarkt gingen Konsument*innen mit einer anderen Preiserwartung als in einen Discounter. In einem Metzgereifachgeschäft sei die Beratung wichtiger als der Preis. So würden in etablierten konventionellen Metzgereien Kund*innen beispielsweise ein sehr hohes Preisniveau akzeptieren: „Dort zahlen sie oft sogar mehr als in einem Bio-Supermarkt!“
Wenn das Gesamtkonzept stimme, sehe er preislich daher Spielräume. Entscheidend werde aber die Neuausrichtung der Ernährungsgewohnheiten sein: „Lieber weniger Fleisch, dafür höherwertig! Dann bekommt auch der 'Sonntagsbraten' wieder seine ursprüngliche Bedeutung!“
Bei einem gemeinsamen Treffen mit Demeter im Osten waren wir uns mit Geschäftsführerin Nancy Schacht und Regioreferentin Annett Rosenberger einig, dass höhere Preise, also Bio-Rindfleisch im Premiumsegment, im Handel an der Fleischtheke nicht ohne fachkundige Beratung funktioniert. Es bedarf der gezielten Aufklärung der Kund*innen und des direkten Kontakts zum Bauern für die nötige Wertschätzung und Bereitschaft, höhere Preise zu bezahlen. Außerdem müsste die Bio-affine Premium-Gastronomie mit ins Boot geholt werden.
Über den Direktvertrieb, der zu Corona-Zeiten Zuwächse zu verzeichnen hatte, könnten höhere Fleischpreise und Ganztierverwertung 'from nose to tail' funktionieren, wenn die Kommunikation es schafft, den Endverbrauchern die Fleischproblematik nahezubringen mit dem Ziel: mehr Qualität, weniger Quantität.

Beispiele für Absatzmöglichkeiten im Direktvertrieb sind:
Meine Kleine Farm
Markthalle Neun
Marktschwärmer

'Die Gemeinschaft' ist eine B2B-Interessen- und Wertegemeinschaft, bei der sich Gastronomen, Verarbeiter und Erzeuger zusammenfinden und sich verschiedenen Themen widmen. Vom 28. Oktober bis 2. November findet zum Beispiel eine Fachveranstaltung zum Thema 'Tier' statt.