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Handel auf Augenhöhe - Interview mit Meinrad Schmitt

Terra Naturkost versorgt seit 40 Jahren die Berliner*innen mit Bio-Produkten, indem der Großhändler die Bio-Einzelhändler mit 100 Prozent Bio beliefert. Dann kam die Wende und das landwirtschaftlich geprägte Brandenburg bot sich an, die Millionenstadt mit regionalem Gemüse, Getreide und Fleisch zu versorgen. Dafür gab es damals noch keine Strukturen und kaum Bio-Produkte. Daher machte sich Meinrad Schmitt mit Terra Naturkost sofort ans Werk und wurde vor 29 Jahren auch Mitbegründer des Märkischen Wirtschaftsverbunds.

Susanne Salzgeber spricht mit Meinrad Schmitt, Inhaber und Geschäftsführer von Terra Naturkost, über damals und heute.

Meinrad Schmitt, Foto: Amin Akhtar

Meinrad Schmitt, Foto: Amin Akhtar

Hilde Weckmann und Meinrad Schmitt, 2003

Hilde Weckmann und Meinrad Schmitt, 2003

Susanne Salzgeber: In diesem Jahr feiert Terra Naturkost den 40. Geburtstag. Erzähl bitte, wie es zur Gründung kam.

Meinrad Schmitt: 1981 gründete Werner Adam einen Vorläufer der Terra Naturkost Vertriebs- und Handels GmbH, der wenig später von Hilde Weckmann übernommen wurde. 1987 – ich war mit meinem BWL-Studium schon seit ein paar Jahren fertig und hatte eine wilde West-Berliner Zeit in der linken Hausbesetzerszene hinter mir – schrieb ich einen Businessplan für einen Großhandel mit Frischeprodukten und gründete mit der Unterstützung eines süddeutschen Großhändlers den Terra Naturkost Frischedienst.

Susanne Salzgeber: Aber da gab es ja schon eine Firma Terra Naturkost.

Meinrad Schmitt: Nicht für Frische, nur für Trockensortimente. Die logistische Herausforderung, einen Kopfsalat, der schnell verwelkt, zu verkaufen und schnell von A nach B zu bringen, ist eine andere als bei einer Packung Müsli.

Susanne Salzgeber: Und von Anfang an ging es um 100 Prozent Bio? Bio war 1987 doch eher eine Nische und die EU-Ökoverordnung kam ja auch erst 1992.

Meinrad Schmitt: Ja, alles Bio, das war und ist bis heute unsere Überzeugung. Und Verbands-Bio-Produkte, zum Beispiel Demeter zertifiziert, gab es weit vor EU-Bio. Ich war Anfang der 80er Jahre Teil der vielfältigen politischen Bewegung. Gegen AKWs und für Bio, erschien mir schon damals logisch.

Susanne Salzgeber: Und was hast Du als Grundlage für Deinen Businessplan genommen? Erfahrung hattest Du ja noch nicht mit einem solchen Frische-Großhandel.

Meinrad Schmitt: Zuerst bin ich von Bio-Laden zu Bio-Laden in Berlin getingelt, hab mir die Preise von Milch und Karotten aufgeschrieben und durchgerechnet, ob es funktioniert und welchen Preis ich für den Einkauf der Produkte bezahlen kann, dass es sich rechnet. Klar war, dass ich zwei LKWs benötigte, die ich dann gebraucht von einer Süddeutschen Molkerei gekauft habe. Und damit konnten wir loslegen. So wie das heutzutage junge Start-Ups wahrscheinlich auch machen.

Susanne Salzgeber: Und wie viel Mitarbeiter hattest Du zu Beginn?

Meinrad Schmitt: Meinen Studienfreund als einzigen Vollzeit-Festangestellten und zwei studentische Aushilfen.

Susanne Salzgeber: Und heute hat Terra Naturkost 360 Mitarbeiter*innen und 50 LKWs, die rund 15.000 Bio-Produkte zu den Kunden bringen.

Meinrad Schmitt: Ja, wir waren schnell erfolgreich und hatten jede Menge zu tun. 1992 legten wir dann die beiden Terra Naturkost GmbHs zu einem Unternehmen zusammen. Seit knapp 18 Jahren bin ich alleiniger Geschäftsführer.

Susanne Salzgeber: Und wie kam die Verbindung zum Märkischen Wirtschaftsverbund?

Meinrad Schmitt: Bereits 1990 lernte ich den jungen Agraringenieur Jürgen Templin und den Gärtner Hans-Peter Frucht kennen, die gerade dabei waren, das Bauerngut aufzubauen und den Märkischen Wirtschaftsverbund zunächst als einen Runden Tisch für Brandenburg zu gründen.

Susanne Salzgeber: Bei dem Du dann auch Mitglied wurdest. Was war Deine Motivation?

Meinrad Schmitt: Damals war der Bio-Markt wenig entwickelt. Ich hatte daher den Anspruch, dass ich jedem Brandenburger Bio-Bauern eine Vermarktungsmöglichkeit für seine Erzeugnisse bieten will. Gleich bei unserem ersten Treffen habe ich Demeter Feldsalat von der Gärtnerei Libbenichen mit nach Berlin genommen und an Bio-Läden verkauft. Das ist mein Job bis heute.

Susanne Salzgeber: Aber nach der Wende war Brandenburg doch ganz anders strukturiert.

Meinrad Schmitt: … da saßen die jungen wilden Bio-Bauern aus dem Westen und Freaks aus dem Osten mit den ehemaligen LPG-Leuten zusammen, überlegten und stritten gemeinsam, wie man den Ausverkauf der DDR verhindern und wie man biologische Landwirtschaft in Brandenburg etablieren konnte. Da trafen Welten aufeinander. In der DDR wurde ja nicht für den Markt produziert, sondern die geplante Menge, die der Staat einem letztendlich abgenommen hat.

Susanne Salzgeber: Und wie ging es dann mit dem MWV weiter?

Meinrad Schmitt: Nach der ersten umtriebigen Phase kam die Orientierungsphase und es wurde ruhiger. Ich war auch viele Jahre im Vorstand des MWV, und Terra veranstaltet seit 1992 jedes Jahr Gärtnergespräche, bei denen wir gemeinsam das vergangene Jahr reflektieren und das kommende Jahr planen.

Susanne Salzgeber: Terra Naturkost ist der wichtigste Bio-Händler für die Bauern. Die sind doch abhängig von Dir. Meinst Du, die würden sich trauen, offen zu sagen, wenn sie sich nicht fair behandelt fühlen?

Meinrad Schmitt: Aber ich bin doch auch abhängig von den Bauern! Wenn die mir ihre Kartoffeln nicht mehr verkaufen, weil ich sie nicht anständig behandle und bezahle, dann sähe es mau aus für Terra. Außerdem wird bei Terra keiner gegen den anderen ausgespielt, was in LEH-Strukturen häufig der Fall ist. Denn so werden Preise gedrückt. Und auf eines können sich die Bauern verlassen: Zuerst vermarktet Terra die regionale Ware.

Susanne Salzgeber: Was wünschst du Dir für den MWV in der Zukunft?

Meinrad Schmitt: Wir brauchen mehr verarbeitende, handwerkliche Betriebe, die die landwirtschaftlichen Produkte veredeln. Und ich glaube, dass es einen Zukunftsmarkt für Transparenz gibt. Die Leute wollen wissen, woher was kommt. Das ist die Chance für regionale Bio-Produkte.

Susanne Salzgeber: Und auf was sollte der MWV mehr Gewicht legen?

Meinrad Schmitt: Auf die kluge Moderation, wenn nötig auch Mediation, bei den Runden Tischen.

Susanne Salzgeber: Wie stellt sich Terra Naturkost für die Zukunft auf?

Meinrad Schmitt: Wir sind abhängig vom Bio-Fachhandel, deshalb kommt es für uns stark darauf an, dass es dem Fachhandel, auch den nicht-filialisierten Läden, gut geht. Wir bleiben Dienstleister für regionale Bio-Produkte. Außerdem arbeiten wir gerade an unserem Leitbild, um einen Wegweiser für die Zukunft zu entwickeln und dabei alle bei Terra mitzunehmen.

Susanne Salzgeber: Wann erfahren wir von Eurem Leitbild?

Meinrad Schmitt: Wir möchten das Leitbild gerne auf unserer Hausmesse vorstellen, also am 11. und 12. September 2021, wenn wir auch unser Jubiläum feiern.